(ÜBER-)LEBENSHILFE FÜR FISCH & CO.

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Baggereinsatz in Ufernähe, direkt bei der Mündung des Chrüzlibachs in den Rhein: Eine Buhne entsteht, im Hintergrund das Kraftwerk Reckingen.

Auf Initiative des Fischereivereins Zurzach sind die Chrüzlibach-Mündung und das Rheinufer bei Rekingen neu gestaltet worden. Umgesetzt hat die Massnahmen die Bäumig GmbH.

Dieser Artikel und die Bilder wurden uns freundlicherweise von Thomas Färber zur Verfügung gestellt. Der Artikel wurde in der Botschaft (Zurzacher Zeitung) am 20.01.2021 publiziert.  

Der AFV hat nach sorgfältiger Prüfung dieses Projektes, rund zwei Drittel (CHF 10’000.-) der Kosten übernommen, welche aus dem Freiangler-Fonds stammen.  Zusätzliche Projekte sind in der Prüfung – es können aber weiterhin neue eingereicht werden.

REKINGEN (tf) – Der Chrüzlibach entspringt in der «Eetelhalde» auf Lengnauer Boden, fliesst auf einem kurzen Abschnitt auch über Wisliker Grund, danach quert er die Gemeinde Böbikon und mündet schliesslich bei Rekingen in der «Unteren Mühle», nur unweit des Rekinger Rebbergs, in den Rhein. Weil er praktisch auf der ganzen Strecke im Schatten von Gebüsch und Wäldern fliesst, ist der Chrüzlibach in der Regel mehrere Grad kälter als der Rhein. Jetzt im Winter mag das keine so grosse Rolle spielen, anders im Sommer, wenn der Rhein eine Temperatur von 20 und mehr Grad hat. Selbst an heissesten Tagen fliesst der Chrüzlibach mit maximal 15 Grad talwärts. Das kann dann im Chrüzlibach-Delta, dort wo der Chrüzlibach in den Rhein fliesst, schon mal helfen (Fisch-)Leben zu retten.

Dramatisches 2018 als Weckruf

Als ehemaliger Präsident des Aargauischen Fischereiverbandes (AFV) und als Rekinger Bürger kennt Hans Brauchli sowohl die Realität des Hochrheins im Sommer als auch die kühlende Wirkung des Chrüzlibachs bestens. Die kritischen Temperaturen des Rheins im Hochsommer sind in Fischerkreisen schon länger ein Thema. Wie anfällig und sensibel Fischarten auf Flusstemperaturen aber tatsächlich reagieren, zeigte sich dann vor allem im Hitzesommer 2018. Dazu Hans Brauchli: «Aufgrund von Wassertemperaturen von bis zu 26,5 Grad kam es am Hochrhein zwischen Basel und Bodensee zu einem fatalen Fischsterben. Allein im Gebiet Stein am Rhein verendeten über 40 Tonnen Äschen. Die Population von Äschen und Forellen wurde dort innerhalb von Stunden auf zirka zwei Prozent des Gesamtbestandes reduziert. Auch im Zurzibiet verendeten unglaublich viele Fische. Sie leiden bei zu hohen Wassertemperaturen an Stress und sterben schlussendlich an einem Herzschlag.»

Manpower der Bäumig GmbH: Werner und Rico Schumacher verankern eine der Faschinen
in der Uferwand. Bei Mittel- und Hochwasser bietet sie wertvollen Lebensraum.

Schatten und kühle «Löcher»

Weil man auf die Temperatur eines so grossen Flusses wie dem Rhein grundsätzlich nur sehr bedingt Einfluss nehmen kann, sind die Kenner der Materie zum Schluss gekommen, dass man einer Erhöhung der Wassertemperatur in Bächen und Flüssen am ehesten mit vielen kleinen Massnahmen im Lokalen entgegenwirken kann. Stehen an den Flussufern Bäume und Niedergehölz, dann leistet das einen Beitrag, denn das wirft den dringend notwendigen Schatten mit Kühleffekt. Auch mit der Schaffung von tiefen Stellen und sogenannten Kolken in der Bach- und Flusssohle entstehen für die Fische wichtige «Überlebenslöcher ». Ebenfalls bekannt ist, dass die Mündungsdeltas von Bach und Fluss verbreitert werden können, damit das zufliessende, kühlere Wasser auf einer grösseren Fläche verteilt wird.

Umgesetzt durch einheimischen Gartenbauer

Mehrere Massnahmen nach genau diesem Muster sind in der letzten Woche nun am Rheinufer bei Rekingen umgesetzt worden. Die Idee und Initiative ergriffen hatte der Fischereiverein Zurzach (FVZ) – bereits vor ungefähr zwei Jahren – die Arbeiten ausgeführt hat jetzt die im Dorf ansässige Bäumig GmbH. Nachdem die Bewilligung durch die kantonalen Stellen und die auf diesem Abschnitt für den Unterhalt verantwortliche Kraftwerk Reckingen AG vorlagen, musste der richtige Moment abgewartet werden, denn: Baumassnahmen am Wasser werden idealerweise bei niedrigem Wasserstand ausgeführt. Vor etwa zehn Tagen war der richtige Moment gekommen, der FVZ, der für die korrekte Ausführung der Massnahmen verantwortlich zeichnete, gab sein «Go». Mit Hilfe eines Baggers wurden verschiedene Objekte realisiert. Das Ziel war klar: Es sollten zum einen neue, gut geschützte und abwechslung-sreiche Lebensräume geschaffen werden, zum anderen sollte sichergestellt werden, dass im Sommer im Mündungsdelta des Chrüzlibachs so viele kühles Wasser wie möglich zur Verfügung steht für die Fische. Für die Lebensräume wurden Halbinselbuhnen und deklinante Buhnen mit Durchlass gebaut, auch wurden etwas steiler abfallende Ufer mit in Flussrichtung platzierten Baumstämmen befestigt und es wurden rund ein Dutzend Faschinen – das sind mehrere Meter lange Holzbündel – im Uferbereich ins Erdreich gerammt. Bei Mittel- und Hochwasser werden sie für Fische und Wassertiere Verstecke und Unterschlüpfe bieten. Auch Weiden wurden gesetzt, sie werden den nötigen Schatten bringen. Für das kühle Wasser des Chrüzlibach wurde mit grossen Steinblöcken und dem vorhandenen Kiesmaterial aus dem Fluss eine Art Pool gebaut, der zwischen zweieinhalb bis drei Meter tief ist. Der Bagger musste dafür bis weit in den Fluss fahren, bei Niedrigwasser aber war das kein Problem.

Am Rheinufer wurden mehrere Buhnen umgesetzt respektive bereits bestehende leicht
vergrössert und aufgefrischt.

Finanziert durch AFV und Kanton

Die Massnahmen am Rhein bei Rekingen sind nicht Teil eines Programms und auch nicht Teil der Neukonzessionierung des Kraftwerks Reckingen, es handelt sich um ein Einzelprojekt, das durch einen lokalen Fischereiverein umgesetzt wird. Wie Hans Brauchli sagt, begrüsst der Kanton solche Initiativen und unterstützt sie in der Regel auch finanziell. Im Fall der Rekinger Massnahmen – die zirka 15 000 Franken kosten – trägt die kantonale Abteilung Landschaft und Gewässer einen Drittel der Kosten, für die anderen zwei Drittel kommt der Aargauische Fischereiverband auf. Wie Präsident Kurt Braun erklärt, fliesst ein Teil der Beiträge, die jährlich für Anglerkarten bezahlt werden, in einen speziellen Topf. Mit Geldern daraus können auf Antrag wiederum genau definierte Projekte umgesetzt werden. Hans Brauchli und der FVZ, so Kurt Braun, seien jetzt die ersten, die ein solches Projekt umgesetzt hätten. «Das hier in Rekingen ist gewissermassen ein Pilotprojekt, es ist eine ganz schöne Sache geworden. Es ist ein wertvoller Beitrag zur Förderung der Fischvielfalt, der Lebensräume und der Unterwasser-Biodiversität. Wir können unsere Mitglieder nur ermuntern, weitere ähnliche Projekte anzugehen.»

Gewässertemperatur mit Folgen

Weltweit sind bis heute zirka 25000 Fischarten bekannt, davon leben etwa 5000 im Süss- und 20000 im Salzwasser. In der Schweiz gelten 63 Fischarten als einheimisch, acht davon sind ausgestorben. Es sind der Stör, der europäische Stör, der Maifisch, das Flussneunauge, der Cheppia, der Huchen, der Lachs und die Meerforelle. 32 Arten werden laut Hans Brauchli als mehr oder weniger stark gefährdet eingestuft. «Die Fische gehören allgemein zu den gefährdesten Tiergruppen der Schweiz.

Der Gefährdungsstatus der einheimischen Fische verschlechtert sich laufend.» Laut Brauchli hat  besonders die Klimaveränderung mit der Erwärmung der Gewässer dramatische Auswirkungen. Für Fische, die kühles und sauerstoffhaltiges Wasser brauchen, seien immer wärmere Gewässer tödlich. Es trifft vor allem die Familie der Salmoniden, zu der die Äsche, die Forelle und der Lachs gehören. Die kritische Wassertemperatur für Äsche und Forelle liegt bei 24 Grad. «Auch Cyprindenarten wie der Hasel, die Nase und die Barbe leiden bei dieser Temperatur an Sauerstoffmangel, erhöhtem Stress und gehen bei weiterem Temperaturanstieg zugrunde. In den Mittelandflüssen ist die Problematik der Erwärmung am grössten, da für die Fische keine Möglichkeit besteht, in kühlere Zonen wie in die Tiefe der Seen zu flüchten.»

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