BIBBERN UM DIE ÄSCHE IN DER BÜNZ

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Der Wasserstand der Bünz ist tief und das Wasser verschlammt: Beides nimmt den Fischen den Sauerstoff. Pächter an der Bünz, Roland Herrigel, sorgt sich um die Fische. Foto: Melanie Solloso (Lenz. Bezirks Anzeiger)

Möriken-Wildegg Am Montag knackte die Bünz bei Möriken die 26-Grad-Marke. Laut Aargauischem Fischereiverband droht deshalb ein Äschen-Sterben. Gestern diskutierten Fachexperten und der Kanton über mögliche Massnahmen für die Gewässer im Aargau.

Text & Bild: Melanie Solloso, Lenzburger Bezirks-Anzeiger 

Vor gut zwei Jahren hat sich im Bünzaue-Gebiet bei Möriken-Wildegg die Äsche, eine gemäss roter Liste gefährdete Fischart, zur Freude vieler Naturfreunde wieder angesiedelt. Aufgrund der konstant hohen Temperaturen der vergangenen Wochen ringt die Äsche derzeit jedoch buchstäblich nach Luft.

Gemäss Schweizerischem Fischerei-Verband (SFV) hat das Fischsterben in anderen Gebieten bereits begonnen. Stark betroffen ist der Rhein zwischen Untersee und Rheinfall mit dem national grössten Bestand an Äschen. Auch in der Region ist die Art bedroht. Mit den steigenden Temperaturen sind die Wasserstände gesunken. Im aufgewärmten Wasser sinkt der Sauerstoffgehalt, im schlimmsten Fall kriegen die Fische keine Luft mehr und sterben.

Roland Herrigel ist Pächter von 4 Kilometer Bünz bei Möriken-Wildegg und Gewässerverantwortlicher des Aargauischen Fischereiverbands. «Am Montag ist die Wassertemperatur in der Bünz auf 26 Grad geklettert. Bei den Äschen gilt 25 Grad bereits als «Todes-Grenze», so Herrigel. Um die Fische macht er sich Sorgen. «Folgt nicht bald eine Abkühlung, ist das Fischsterben unausweichlich», prophezeit er.

Um das zu verhindern, ersuchte er um eine Bewilligung für eine Frischwasserzufuhr zum Pachtabschnitt. Der Kanton beurteilte die Massnahme als wenig sinnvoll in Anbetracht der länger dauernden Hitzeperiode und den sinkenden Trinkwasserbeständen. Die Gemeinde lehnte den Antrag darauf ab.

Ganz zum Ärger des Pächters. Auch ein bereits im Februar gestellter Antrag für schattenspendende Totholzanreicherung im Wasser beim Kanton, verlief für Herrigel im Sand. Er ist überzeugt, dass sich damit die Temperatur im Wasser markant verbessern würde. Der Kanton hingegen sieht das anders. «Dass eine solche Massnahme in einem Jahrhundertsommer wie 2018 die Temperatur massgeblich beeinflusst, ist illusorisch», beurteilt Norbert Kräuchi, Leiter der kantonalen Abteilung Landschaft und Gewässer.

Nichtstun oder handeln?

Handeln oder der Natur ihren Lauf lassen? Darüber diskutieren Fachexperten im Aargau schon seit längerem hin und her. Passiert ist bisher nichts. Ganz zum Ärger des Aargauischen Fischereiverbands. «Handeln ist überfällig», findet Kurt Braun, Präsident des Verbands. «Nichts machen, ist die schlechteste Variante.» Seitens Kanton wünscht sich der Fischereiverband mehr Unterstützung und schaut derweil ein wenig neidisch nach Schaffhausen und St. Gallen, wo die Kantone die Renaturierung der Gewässer aktiv an die Hand nehmen. Hoffnung auf Gehör kam im Aargau jüngst in der Form einer Einladung. Die Abteilung Landschaft und Gewässer lud zum Thema «Gewässer» am Mittwoch zum runden Tisch mit verschiedenen Fachexperten.

Neben Vertretern des Fischereiverbands und dem Bauernverband, war auch Matthias Betsche, Präsident von Pro Natura Aargau, dabei. «Pro Natura unterstützt die Bestrebungen, die Äsche im Bünzaue-Gebiet zu retten», sagt Betsche. «Die seltene Fischart steigert den Naturwert der Bünzaue». Man müsse jedoch die Möglichkeiten ganzheitlich anschauen. «Die Aue ist ein komplexes Ökosystem, wir wollen nicht zugunsten einer Tierart und zum Nachteil einer anderen eingreifen.»

Möglichkeiten, um der Äsche das Dasein in der Bünz zu ermöglichen, gebe es verschiedene, sagt Braun vom Fischereiverband. «Kaltes Wasser aus kühlen Bächen zuleiten oder renaturieren, das heisst den Wasserlauf abwechslungsreich strukturieren, Rinnen und Kolken (wassergefüllte Vertiefungen) schaffen für kühlere Stellen und Beschatten mit vielen Bäumen und Sträuchern.»

Bewilligung fehlt

Geht es nach dem Kanton bleibt im Bünzaue-Gebiet jedoch alles beim Alten. «Wir sind für 3000 Kilometer Gewässer im Kanton verantwortlich. Das Wichtigste ist, dass die Landschaft durchgängig gemacht wird, damit die Arten wandern können», sagt Norbert Kräuchi von der Abteilung Landschaft und Gewässer. An der Bünz sieht der Kanton diesbezüglich keinen Handlungsbedarf: «Die Bünz ist bereits durchgängig, das Wehr wurde abgerissen, der Fluss renaturiert», erklärt Kräuchi. Das Zepter liegt also wieder bei der Natur und die soll es nach Ansicht des Kantons richten. «Wir möchten nicht gewisse Arten priorisieren. Die fitteren werden überleben, die weniger fitten nicht.»

Mit dieser Antwort kann sich Pächter Roland Herrigel nicht abfinden. «Ich möchte nicht tatenlos zusehen, wie die Fische eingehen.» Trotzdem seien ihm ohne Bewilligungen im Moment die Hände gebunden.

Dass mit den derzeitig offensichtlichen Klimaveränderungen Handeln angesagt ist, hat zwar auch der Kanton erkannt. Von Feuerwehrübungen an einzelnen Orten hält er jedoch wenig. «Wir wollen das Problem ganzheitlich anschauen und langfristig planen.» Ob und wie der Äsche im Bünzauegebiet geholfen wird, wollte Norbert Kräuchi gestern nach der Sitzung nicht kommentieren.

Nichtstun oder handeln? Dass sich die Tiere dem Klimawandel anpassen müssen, ist Fakt. Die Fischer hoffen derweil, dass den Fischen noch etwas Luft und Zeit verschafft wird, um sich der Situation anzupassen.

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